Neuerungen in der psychotherapeutischen Versorgung im Gesetz zur Reform der Psychotherapeutenausbildung

Neben der Neugliederung der zukünftigen Ausbildung der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten wurden im Reformgesetz weitere Neuerungen für die psychotherapeutische Versorgung getroffen. Diese Neuerungen sorgen teilweise bereits mit dem Tag des Inkrafttretens auch für Änderungen im Praxisalltag der aktuell approbierten und ambulant niedergelassenen Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten.

 

Wir fassen für Sie wesentliche Änderungen im SGB V zusammen:

  • Neue Befugnisse für PP/ KJP: Verordnung von Ergotherapie und psychiatrischer, häuslicher Krankenpflege (Änderungen Artikel 2, SGB V; §73 Absatz 2; tritt zum 01.09.2020 in Kraft)
  • Honorarzuschläge zur KZT 1 in Höhe von 15 % für diejenigen Psychotherapeut*innen, die die gesetzlichen Mindestsprechstunden einhalten (s. § 87 SGB V). Die ensprechende Anpassung im EBM muss bis zum 29.02.2019 erfolgen!

Die Begründung, einen finanziellen Anreiz zu schaffen, damit Psychotherapeut*innen "anstelle von Langzeittherapien mehr Patientinnen und Patienten behandeln, die einer neuen Kurzzeittherapie bedürfen", legt nahe, dass es darum geht, Patient*innen kürzer als notwendig zu behandeln und weniger Langzeittherapien durchzuführen.

 

Dies ist fachlich aus unserer Sicht nicht vertretbar, so sehr auch eine verbesserte Finanzierung psychotherapeutischer Leistungen notwendig ist!

Wir sind überzeugt, dass Psychotherapeut*innen, weiterhin jedem Patienten - unabhängig von der Vergütung - den notwendigen Umfang einer Behandlung zur Verfügung stellen, den er oder sie benötigt.

 

  • Erleichterungen beim Übergang von stationärer in eine ambulante Behandlung. Der GBA soll hierzu Regelungen schaffen, dass ambulant tätige Psychotherapeut*innen bereits im Krankenhaus probatorische Sitzungen durchführen können (§ 92 SGB V). Tritt zum 23.11.2019 in Kraft, allerdings vorbehaltlich der Regelungen des G-BA in den Richtlinien)

Dies kann vom Grundsatz her positiv gesehen werden, die bisher starre Trennung zwischen ambulant und stationär flexibler zu gestalten.

Dazu bedarf es aus unserer Sicht aber einer Regelung, die eine Anhebung der Vergütung oder die Durchführung der Probatorik auch in der Praxis ermöglicht.

 

  • Ab 23.11.2019 Wegfall des Gutachterverfahrens bei Gruppentherapie! (§ 92 SGB V)

"Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2020 in einer Ergänzung der Richtlinien (….) Regelungen zur weiteren Förderung der Gruppentherapie und der weiteren Vereinfachung des Gutachterverfahrens; für Gruppentherapien findet ab dem 23. November 2019 kein Gutachterverfahren mehr statt.

Der Gemeinsame Bundesausschuss hat sämtliche Regelungen zum Antrags- und Gutachterverfahren aufzuheben, sobald er ein Verfahren zur Qualitätssicherung nach § 136a Absatz 2a eingeführt hat."

 

Aktuell gilt: Mit Wirkung vom 23.11.2019 an entfällt das Gutachterverfahren bei der Gruppentherapie, die Antragspflicht bleibt allerdings noch erhalten. Ziel dieser Maßnahme ist es, die Gruppentherapie zu fördern. Die Einholung eines Konsiliarberichts bleibt Pflicht.

 

Aufgrund dessen, dass Psychotherapierichtlinie und Vereinbarungen nicht angepasst sind, kommt es in der Durchführung zu Unklarheiten. Beispielsweise bei einer notwendigen Überschreitung des Höchstkontingentes oder bei Kombinationsbehandlungen von Einzel- und Gruppentherapie; ist dann eine Gutachterpflicht gegeben?

 

Wichtig: bei der Beantragung von Gruppentherapie gilt die Mitbeantragung von Einzelsitzungen im Verhältnis 1:10 nicht als Kombinationsbehandlung.

 

  • Neue Richtlinie zur koordinierten Versorgung schwer psychisch Kranker (§ 92 SGB V): Auftrag an den Gemeinsamen Bundesausschuss (GBA), bis zum 31.12.2020 eine neue "Richtlinie zur berufsgruppenübergreifenden, koordinierten und strukturierten Versorgung schwer psychisch kranker Menschen mit komplexem psychiatrischen oder psychotherapeutischen Behandlungsbedarf" zu entwickeln.

Diese neue Regelung war erwartet worden, da dies einem Vorschlag der Verbände, der BPtK und der KBV entspricht, durch den die sog. "gestufte Versorgung" im Bereich Psychotherapie verhindert werden sollte (Zur Erinnerung: hierzu gab es eine Petition!)

 

  • Wegfall des Antrags- und Gutachterverfahrens: Änderung in § 136 a - "Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis spätestens zum 31. Dezember 2022 in einer Richtlinie nach Absatz 2 Satz 1 ein einrichtungs-übergreifendes sektorspezifisches Qualitätssicherungsverfahren für die ambulante psychotherapeutische Versorgung. Er hat dabei insbesondere geeignete Indikatoren zur Beurteilung der Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität sowie Mindestvorgaben für eine einheitliche und standardisierte Dokumentation, die insbesondere eine Beurteilung des Therapieverlaufs ermöglicht, festzulegen. Der Gemeinsame Bundesausschuss beschließt bis zum 31. Dezember 2022 zusätzlich Regelungen, die eine interdisziplinäre Zusammenarbeit in der ambulanten psychotherapeutischen Versorgung unterstützen."

Aus unserer Sicht erscheint dies als der gravierendste regulative und direkte Eingriff des Gesetzgebers in den Ablauf der Richtlinienpsychotherapie. Denn je nach Interpretation und Auslegung durch die Akteure im Gesundheitswesen ist dabei folgendes denkbar:

 

▪ Wegfall der sicheren Kontingente in der Psychotherapie und damit eine hohe Verunsicherung der Patienten

 

▪ Kontrolle (durch die Krankenkassen?) in kleinen Schritten über die Notwendigkeit einer Fortsetzung der Behandlung

 

▪ Wegfall der vorgezogenen Wirtschaftlichkeitsprüfung und die damit verbundene Möglichkeit, Behandler*innen in Regress zu nehmen (Honorarkürzungen oder Rückzahlungsforderungen)

 

▪ Infragestellung der - durch die BSG Urteile gesicherten - Mindesthonorierung der Psychotherapie

 

▪ Durch QS könnte es ein Ranking der psychotherapeutischen Praxen geben, wer wie gut und schnell behandelt. Dies mit der möglichen Folge, dass niemand mehr das Risiko eingehen könnte, schwer- oder chronisch kranke Patient*innen ambulant zu behandeln...

 

Hier werden wir als Bündnis KJP eng mit den uns verbundenen Verbänden auf Länder- und Bundesebene mit dem Ziel kooperieren, diese Gesetzesvorgaben zu nutzen, um perspektivisch die psychotherapeutische Versorgung zu verbessern und diese "Horrorvisionen" eben nicht Realität werden zu lassen.

 

In diesem Zusammenhang sehen wir es positiv, dass die Kammerversammlung der Psychotherapeutenkammer NRW - als größte Kammer in Deutschland - die "Empfehlungen zur psychotherapeutischen Dokumentation" am 08.11.2019 mit großer Mehrheit verabschiedet hat.

Wir setzen darauf, dass der Gesetzgeber und die untergesetzlichen Normgeber (G-BA), an diesem vorgelegten Standard nicht vorbeikommen, da die Psychotherapeutenkammern - durch die Heilberufsgesetze legitimiert - die fachlichen Normgeber für die Profession sind.

 

Wir werden Sie über die weitere Entwicklung auf dem Laufenden halten.